Tanzverbot in Gießen?

Wer gestern das lange Pfingstwochenende beim Feiern ausklingen lassen wollte, um am heutigen Feiertag auszuschlafen, musste beim Blick in den Kalender feststellen, dass Pfingstsonntag war – ein Tag, an dem laut Hessischem Feiertagsgesetz zwischen 4:00 und 24:00 Uhr nicht getanzt werden darf, da es sich um einen „stillen Feiertag“ handelt.
Schaut man auf andere Bundesländer, stellt man fest, dass an Pfingsten nur in Hessen Tanzverbot herrscht. Mit 15 tanzfreien Tagen im Jahr führt Hessen sogar die deutsche Rangliste an. Ja, Hessen ist in dieser Hinsicht strikter als die vermeintlich so konservativen Länder Bayern (9 Tage) und Baden-Württemberg (7 Tage).

Tanzverbote werden oft mit dem Verweis auf Tradition und Religion begründet. Tradition zu pflegen und Religionen zu folgen kann sehr sinnstiftend sein, lässt sich jedoch leider nicht statistisch begründen, denn nur etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung Hessens, 57% (EKD, Stand 31.12.2016) gehört dem evangelischen oder katholischen Glauben an. Wobei nicht geklärt ist, wie hoch der Anteil derer ist, die ihren Glauben aktiv ausleben. Muss sich also knapp die Hälfte Hessens nach einer Glaubensrichtung richten, der sie nicht angehört? Muss sie sich in ihrer Freiheit, ihren Alltag selbst zu gestalten, beschneiden lassen?

Doch nicht nur hinsichtlich der Selbstbestimmung des Individuums gerät das Tanzverbot unter Kritik. Der Hotel- und Gastronomieverband Hessen kritisiert das vor 46 Jahren erlassene Hessische Feiertagsgesetz. Er betrachtet die Situation unter einem wirtschaftlichen Gesichtspunkt und sieht in den Regelungen einen starken finanziellen Einschnitt für die hessische Tourismusbranche. Der Verband schlägt eine „Reform der Tanzverbote“ vor, laut der lediglich an den Feiertagen Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag, dem Volkstrauertag und dem Totensonntag ein Tanzverbot herrschen soll.
Mit dieser Reform des veralteten Gesetzes würden die bedeutenden Tage des christlichen Glaubens geehrt werden, an denen Pietät angebracht ist. Somit wäre Hessen mit fünf Tagen auch im Bundesmittel. Gießen scheint dabei aber der Reform schon einen Schritt voraus zu sein, denn wer es sich gestern nicht verkneifen wollte, die Entsendung des Heiligen Geistes zu feiern, der konnte dies getrost tun, da die Tore der Gießener Clubs Haarlem, Monkeys, Admiral und Co geöffnet waren. Dabei war Pfingstsonntag.

 

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