Seit 10 Tagen verbreitet sich über Twitter der Hashtag #MeTwo, bei dem Menschen von ihren Rassismuserfahrungen berichten. Mittlerweile haben über 40.000 Menschen mit Migrationshintergrund zu ihren Erfahrungen von Diskriminierung und Rassismus im Alltag Stellung bezogen. Der Journalist und Aktivist Ali Can hat die Debatte ins Leben gerufen. Er hat bereits vor einiger Zeit eine Hotline für besorgte Bürger eingerichtet, bei der sich Menschen über die Themen Integration, Flüchtlinge uvm. austauschen können.
Die Debatte #MeTwo wurde ursprünglich auf Grund der rassistischen Äußerungen gegen den ehemaligen Fußball Nationalspieler Mesut Özil ausgelöst. Während des Wahlkampfes in der Türkei postete der ehemalige Nationalmannschaftsspieler ein Foto mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Der DFB entschied sich, Özil trotzdem mit zur WM nach Russland zu nehmen. Nach der Niederlage der Deutschen wurde dieser jedoch mit rassistischen Äußerungen angegangen. Am 23. Juli 2018 trat Özil mit dem Vorwurf des Rassismus aus der Nationalmannschaft zurück – eine Konsequenz, die es in dieser Form bisher noch nicht gegeben hat.
Dass der Post eines Fotos mit Staatspräsident Erdoğan für Özil Kritik bedeutet, war zu erwarten. Seine Erklärung, dieses Foto stünde in keinem politischen Kontext ist schlicht und einfach unglaubwürdig. Als Mitglied der Fußball-Nationalmannschaft hat man für viele eine Art Vorbildfunktion. Ein Zuspruch gegenüber einem Staatspräsidenten, der die demokratischen Grundwerte missachtet und der sein Land spaltet, kann und darf nicht folgenlos bleiben.
Doch die Folge des DFB war – Özil fährt mit nach Russland zur WM. Erst nach der Niederlage der Deutschen wurde plötzlich auch der deutschen Bevölkerung klar, „Özil, das geht nicht“. Rassistische Äußerungen folgten. Hier stellt sich die zentrale Frage: Was wäre passiert, wenn Deutschland die Fußballweltmeisterschaft vielleicht gewonnen hätte? Sieg oder Niederlage sind verbunden mit der Zuordnung Özils als Deutscher oder Fremder. Mesut Özils Konsequenz daraus:Er trat am 23.Juli 2018 aus der Nationalmannschaft mit einer klaren Stellungnahme zurück. Sein Rücktritt löste eine Rassismus-Debatte aus. Eine Debatte, die längst überfällig war und über einen Prominenten nun ins Rollen gebracht wurde. Angelehnt ist die Debatte an den weltweiten #MeToo Skandal, in dem es um Sexismus-Vorwürfe in Hollywood ging.
Nun stehen die Stimmen von Menschen im Vordergrund, die über alltägliche Diskriminierungserfahrungen berichten. Die schnell anwachsende Zahl an Personen, die an der Debatte teilnehmen, zeigt, dass es längst an der Zeit war. Plötzlich kommt etwas ans Licht, wovon man eigentlich die ganze Zeit gewusst hat, ein Thema, das jedoch keinen öffentlichen und breiten Diskurs gefunden hat. Inwiefern Özil, der mit einem Staatspräsidenten wie Erdoğan sympathisiert, eine „Identifikationsfigur“ für eine Debatte gegen Rassismus sein kann, bleibt fraglich.
Bundesvorsitzender der Grünen, Robert Habeck, äußerte sich über Twitter zu Recht, indem er sagte: “Sprache schafft Welt und Wirklichkeit. Die Alltagserfahrungen von Diskriminierung und Rassismus unter #MeTwo sind nicht nur persönliche Geschichten. Sie sind eine politische Bewegung für Anerkennung und Respekt.“ Fangen wir also an, den Menschen zuzuhören und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Rassismus in Deutschland ein alltägliches Problem ist, gegen das wir vorgehen müssen!