Ein Pakt, der anpackt

Migration, ein Thema das polarisiert und dieser Eigenschaft wegen immer wieder gerne aus der Schublade geholt wird, wenn es darum geht, von sich reden zu machen. Wenn jüngst Jens Spahn am UN-Migrationspakt Zweifel zu schüren versucht und Friedrich Merz direkt das Grundrecht auf Asyl auf den Prüfstand stellen möchte, was nach negativer Resonanz in beiden Fällen längst erläutert, abgeschwächt und relativiert wurde, fragt man sich, ob die Herren überhaupt wissen, was in dem Abkommen geschrieben steht. Allen, die sich gern selbst ein Bild machen möchten, wie genau der Migrationspakt erstmals international eine gemeinsame Linie bei diesem Thema definiert, sei der nachstehende Artikel aus der taz wärmstens empfohlen:

http://www.taz.de/Migrationspakt-aus-ExpertInnen-Sicht/!5552609/

 

Hausbesetzer-Bewegung in Gießen belebt sich wieder: „Protest für die Gesamtheit, nicht nur Studierende“

https://pixabay.com/de/photos/schach-schwarz-wei%C3%9F-spiel-3801531/

Am 22.10. besetzt die Gruppe Kultlab 22.10. die Senckenbergstraße 5 – bereits nach wenigen Stunden ist die Hausbesetzung wieder vorbei (die Gießener Allgemeine berichtete) [1], die Aktivist_innen verlassen mehr oder weniger freiwillig das Gebäude. In den folgenden drei Wochen entsteht ein Diskurs über Wohnkultur in Gießen – beteiligt sind neben dem Präsidenten der Universität auch Politiker_innen. Dabei soll es nicht nur um die Belange von Studierenden gehen – zumindest, wenn man den Aktivist_innen glaubt.

 

Am Morgen des 22.10. gleicht die Senckenbergstraße 5 einem Ameisenhaufen; Banner flattern im Wind, überall sind Personen mit dem Transport von Möbeln beschäftigt, um die seit langem leerstehenden Räume mit Leben zu füllen.

Ursprünglich sollte die Hausbesetzung nicht lange dauern. Oder doch? Die Meinungen sind gespalten; nachdem die JLU zunächst zugesichert hatte, dass die Aktivist_innen in dem Gebäude direkt neben dem Zeughaus der Universität bleiben können, herrschte zumindest Zufriedenheit in der Gruppe. Aber auch als bereits wenige Stunden später aufgrund von Sicherheitsbedenken seitens der Polizei mit einer Zwangsräumung gedroht wird, sind sich die Aktivist_innen schnell einig: der Protest wird auf eine andere Schiene verlagert. Die Gruppe ist flexibel. Entscheidungen werden grundsätzlich nach basisdemokratischen Prinzipien getroffen, die Mehrheit entscheidet. Diese Art der Entscheidungsfindung erlaubt im Fall des Falles eine schnelle Vorgehensweise, erschwert dem/der Betrachter_in jedoch auch die Einordnung der Forderungen auf sachlicher Ebene, da keine politische Linie, sondern nur ein Zweckbündnis für die Öffentlichkeit sichtbar ist.

Eine Mischung aus Studierenden, Absolvent_innen und Nichtstudierenden – Schüler_innen, Arbeiter_innen, Arbeitslose –, bunt gemischt, aus verschiedenen sozialen Hintergründen. Und vor allem auch: mit verschiedenen Zielen. Das ist – für neutrale Beobachter_innen – der Kern der Gruppierung KultLab. Gegen diese oberflächliche Analyse kann jedoch berechtigterweise Einspruch erhoben werden, denn: das KultLab versteht sich nicht als Gruppe, sondern als Raum. Und der ist – zumindest den Forderungen nach, die im Zuge der Hausbesetzung am 22.10. online gepostet wurden –  für alle gedacht. [2]

So ergab sich nach dem Abbruch der Hausbesetzung in der Senckenbergstraße 5 zunächst eine von den bei dieser Besetzung Anwesenden organisierte Spontandemonstration – um, obwohl die ursprünglichen Vorhaben zunächst gescheitert schienen, die Problematik nach außen zu tragen.

Unmittelbar nach der Spontandemonstration sollte wohl auch langfristig der Uni ein Zeichen gesetzt werden. Dafür gingen die Aktivist_innen auch bei niedrigen Temperaturen an ihre Grenzen: vor dem Uni-Hauptgebäude in der Ludwigstraße wurde eine sogenannte „Mahnwache“ installiert. Praktisch erinnerte der aus Planen gespannte Verschlag eher an die Dauerdemonstration von Occupy Wall Street vor einigen Jahren.

Dort lebten einige Aktivist_innen rund um die Uhr; neben Essen, das gratis verteilt wurde, gab es auch Schlafplätze – und Workshops. Denn die Aktivist_innen glauben an die Selbst- und Weiterbildung zum Zweck des politischen Aktivismus, welche Form dieser auch schlussendlich annehmen mag. So wurden unter anderem Briefe an politische Gefangene geschrieben und Laienverteidigung vor dem Gericht gelehrt.

Neben der „Besetzung“ des Platzes vor dem Uni-Hauptgebäude liefen parallel zwei Verhandlungsschienen; einerseits mit der Universität selbst, vertreten durch den Präsidenten, die Kanzlerin und später ein Wohngremium, sowie mit dem AStA der JLU. Dieses erklärte sich auch direkt solidarisch mit den Zielen der Gruppierung, mehr kulturelle Freiräume ähnlich dem ehemaligen Café Amelie zu schaffen. Dabei hat der AStA natürlich eine Studierendenvertretung im Sinn, ein Punkt, der den Aktivist_innen eventuell sauer aufstoßen könnte.

In diesem Zusammenhang und auch in Verbindung mit den Gesprächen, die mit Vertreter_innen der Universität geführt werden, muss jedoch auf die Hausbesetzung von 2009 aufmerksam gemacht werden. Auch wenn diese größtenteils hochschulpolitische Ziele verfolgte und wesentlich größeren Verhandlungsdruck aufbauen konnte – indem etwa die gesamten Häuser E des Philosophikums II und C des Philosophikums I besetzt wurden – ist die gemeinsame Parallele dennoch, dass sich die Aktivist_innen auf Verhandlungen mit universitären Organen einließ.

Ich will an dieser Stelle kurz meine eigene Position zu dieser Situation ausführen. Es lässt sich zunächst feststellen, dass in den Verhandlungen zwei grundsätzlich verschiedene Parteien mit grundsätzlich verschiedenen Strukturen und Zielen aufeinandertreffen. Den Aktivist_innen, einer dezentral und ahierarchisch organisierten Gruppe steht die Universität entgegen, ein gigantischer Organismus mit dem Präsidenten als Oberhaupt. Die Forderungen der Aktivist_innen sind offen, klar kommuniziert, und relativ klar umrissen. Die Frage ist jedoch, wie sie erreicht werden sollen. Demgegenüber steht der klar bürokratische und legislativ gebundene Entscheidungsprozess der JLU, wie es für eine Massenuni nunmal üblich ist. Was aber sind die Ziele der JLU im Hinblick auf die Besetzung?

Ich möchte folgende Antwort in den Raum stellen, wenngleich dem Leser/der Leserin bewusst sein sollte, dass es sich hierbei um informierte Spekulation und nichts weiter handelt. Die Gespräche 2009 mündeten in einer (inzwischen wieder aufgehobenen) Abschaffung der Anwesenheitspflichten. Das ist eine Lösung, die finanziell nicht ins Gewicht fällt, rückgängig gemacht werden kann und der Öffentlichkeit ein Eingehen auf Forderungen signalisiert.

Hier erstrecken sich also drei wichtige (sicherlich jedoch nicht die einzigen) Aspekte der Entscheidungsfindung auf universitärer Ebene. Ressourcen und das Image der Universität sollen geschont werden und: die Auswirkungen auf die Uni müssen sich auf ein Minimum beschränken oder auf ein solches reduzierbar sein.

Folgt man diesem Gedankengang, so ergibt sich ein Muster, das mit dem bisherigen Ergebnis der Proteste konform ist. Zunächst wurde die Senckenbergstraße 5 „aus Sicherheitsbedenken“ umgehend geräumt. Damit wurde den KultLab-Aktivist_innen das stärkste Druckmittel entzogen, mit dem sie in eine Diskussionsrunde starten konnten. Die angebotenen Gespräche waren jedoch nur unter der Auflage gewährt worden, dass diese Räumung stattfindet. Dass die Universität bei einer anhaltenden Hausbesetzung gezwungen gewesen wäre, die Verhandlungen zu akzeptieren, ist in diesem Zusammenhang jedoch nicht unwahrscheinlich.

Nach der Entfernung des Druckmittels, der Etablierung der Mahnwache vonseiten der Aktivist_innen und dem Auftakt der Gespräche ist es der Uni gelungen, auch die ständige Erinnerung (und Öffentlichkeitsarbeit) von KultLab durch die ständige Demonstration in der Ludwigstraße am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen. Damit hat sie ein zweites Druckmittel, die öffentliche Meinungsbildung, in wesentlichem Maße eingeschränkt. Die traurige Konsequenz dieser – man muss es eingestehen – besseren Verhandlungsführung aufseiten der Universität zeichnet sich bereits ab.

„Von Anzeigen wegen Hausfriedensbruch will die Uni […] absehen“ berichtete die Gießener Allgemeine noch am Tag der ursprünglichen Hausbesetzung. Laut Informationen der Aktivist_innengruppe hat sich dies mittlerweile geändert, es soll Anzeige wegen Einbruch gegen vier Personen im Umkreis der Gruppe erstattet werden – allerdings nur gegen Nichtstudierende.

Damit zeigt die Universität, dass sie vor dem Verhandlungspartner keine Angst mehr hat, sondern sich ein Machtgefälle am eigentlich runden Tisch gebildet hat. Sie ist jetzt am längeren Hebel – und wird auch diese Situation auszuspielen wissen.

Meine persönliche Analyse der Situation will ich nur noch eine Voraussicht anstellen. Es ist zu erwarten, dass die Gespräche aus der Perspektive der Aktivist_innen scheitern werden, da sie nicht mehr in der Lage sind, Scheinangebote oder faule Kompromisse der Uni-Vertretung abzulehnen. Diese kann dann glaubhaft der Öffentlichkeit versichern, soweit wie möglich auf die Position der Aktivist_innen eingegangen zu sein. Dabei kann das Verhandlungsteam der JLU unterschlagen, dass bewusst und gezielt die Position der gegenüberstehenden Partei geschwächt wurde, und gerät gar nicht erst in Erklärungsnot.

Es gibt eine Möglichkeit, wie die Gespräche in einem besseren Ergebnis münden können. Dafür ist jedoch die aktive Partizipation von jedem – auch dem geneigten Leser/der geneigten Leserin – nötig, der/die sich einen Freiraum wünscht, wie er von KultLab und anderen gefordert wird. Jede Organisation – der AStA, die Jugendorganisation der Linken solid und die Fachschaften müssen ihrer Solidaritätserklärung auch Taten folgen lassen. Damit einhergehend möchte ich auch an alle bisher unbeteiligten Parteien appellieren, in diesem Konflikt Stellung zu beziehen. Denn sollte das Ende der Verhandlungen, wie zu erwarten ist, mit einem negativen Ergebnis für die Aktivist_innen enden, wird dies auch einen Verlust für die aktive demokratische Partizipation an der Uni und außerhalb bedeuten.

Von Elias Wildpanner

[1] https://www.giessener-allgemeine.de/regional/stadtgiessen/Stadt-Giessen-Hausbesetzung-Giessener-Studenten-beleben-Leerstand;art71,503007

[2]https://bit.ly/2Figh13

Roden statt Retten?

Während der Hambacher Wald momentan wenigstens für einen Moment aufatmen kann und vorerst vor den RWE’schen Motorsägen sicher scheint, geht es aktuell einem anderen Wald an den Kragen – für einen Autobahnzubringer zum neuen Terminal 3 des Frankfurter Flughafens sollen 4,5 Hektar des Treburer Waldes weichen. Das ist laut Fraport das letzte Areal, das für den Ausbau des Flughafens gebraucht wird, insgesamt wurden dann 282 Hektar Wald gerodet. Dafür hat die Fraport AG bereits an anderer Stelle 288 Hektar Wald aufgeforstet.

Den Aktivist:innen, die seit Januar in Baumhäusern, Hochsitzen und Zelten den Treburer Wald besetzten, um ihn vor der Abholzung zu schützen, geht es jedoch nicht nur darum, diesen speziellen Wald und die Tiere, die dort leben, zu retten. Ihr Protest gilt auch der größer-schneller-billiger-weiter Ideologie der Fraport AG, denn das geplante Terminal 3 wird unter anderem einen Bereich extra für billig Airlines zur Verfügung stellen – ein Geschäftsmodell, das laut den Aktivist:innen keine Zukunft haben darf. Schon mehrfach wurden Waldstücke für verschiedene Stadien des Flughafenausbaus abgeholzt, obwohl der Treburer Wald Anfang der 90er den Schutzstatus „Bannwald“ erhielt, das heißt, er hat eine besondere Funktion für Wasserhaushalt, Klima und Luftreinigung. Um die weiteren Rodungen zu ermöglichen, wurde ihm dieser Status aber schon bald wieder aberkannt.

In der vergangenen Woche wurde das Protestcamp nun endgültig geräumt, damit die Rodungsarbeiten schnellstmöglich beginnen können. In den frühen Morgenstunden des 6. November kam die Polizei mit einem großen Aufgebot in den Wald. Obwohl „nur“ rund 20 Personen bei der Besetzung vor Ort waren, benötigte die Polizei bis in den Nachmittag, um das Camp vollständig zu räumen, da sich einige Aktivist:innen angekettet oder in den Baumhäusern versteckt hatten; zwei Personen hatten sich sogar einen Arm einbetoniert.

Mitinitiiert wurde die Besetzung von Aktivist:innen der gewaltfreien Aktionsgemeinschaft „Robin Wood“, die sich für Natur und Umwelt einsetzt. Das Camp wird jedoch als unabhängiger Widerstandsort verstanden, der mit ähnlichen Initiativen, wie beispielsweise der im Hambacher Forst, vernetzt ist. Nachdem die #hambibleibt Proteste den Kohleausstieg weiter in die öffentliche Debatte gerückt haben wird also nun durch #treburbleibt über die umweltschädlichen Billigflieger diskutiert. Und das alles, nachdem die Bundesvorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock, vor wenigen Tagen noch verkündet hat: „So grün war Hessen noch nie“.

Trotz allem bleiben die Klimaschützer:innen fest entschlossen. In einem Interview sagt die 76 jährige Aktivistin Christine Tron: „Solange ich den Kopf hochheben kann, bin ich dabei. Weil wenn man den Kopf hängen lässt, stimmt man zu”.

Aktuelles zu #treburbleibt und bald auch Details zum Verlauf der Räumung findet ihr hier.

Auf den Schnurrbart kommt es an

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Am 3. November war Weltmännertag – jetzt mögen manche von euch fragen: Ist nicht jeder Tag Weltmännertag? Brauchen wir dafür wirklich einen extra Tag? Aber ganz so einfach ist es nicht. Denn hier geht es nicht um Muskeln, Prestige und gutes Gehalt. Ganz im Gegenteil. Hier geht es um die vermeintliche Härte, die Männern von der Gesellschaft aufgezwungen wird, die sie oft davon abhält, sich Hilfe zu suchen, wenn sie es brauchen. Hier geht es um Prostata- und Hodenkrebs und um die psychische Gesundheit von Männern.

Weltweit stirbt jede Minute ein Mann durch Suizid. Die Zahlen variieren zwar je nach Ort, aber egal wo man hinschaut, Suizid ist überwiegend ein Männerproblem. In Indien ist die Suizidrate der Männer „nur“ eineinhalb mal so hoch, wie die der Frauen. In Deutschland sind es schon dreimal so viele, in Russland sogar fünfmal. Woran liegt das? Schließlich leben wir doch in einem Patriarchat!

Genau hier liegt paradoxerweise das Problem. Männer scheinen viel größere Schwierigkeiten zu haben, Schwäche und Bedürftigkeit zuzugeben. Aber nicht nur das. Es gibt noch ein viel grundlegenderes Problem: Vielen Männern fällt es schwer, überhaupt die eigenen Gefühle zu erkennen und zu benennen. Als Folge davon werden Depressionen bei Frauen in der Regel schneller erkannt, diagnostiziert und behandelt als bei Männern, denn wer seine Gefühle nicht reflektieren kann, kann auch nicht darüber sprechen, was ihn belastet und kann sich keine Hilfe suchen (Quelle: Welt).

Das Patriarchat schadet also auch Männern – durch die sozial konstruierte „Männlichkeit“, die der Hälfte der Menschheit emotionale Kälte, Stärke, sexuelle Aggressivität, Gewaltaffinität und vieles mehr zuschreibt und gleichzeitig Verwundbarkeit als Schwäche wertet. Diese „toxic masculinity“ (oder toxische Maskulinität) tötet.

Deshalb hat die Movember Foundation sich etwas überlegt, um auf die körperliche und psychische Gesundheit von Männern aufmerksam zu machen. Im „Movember“ (zusammengesetzt aus Moustache und November) rufen sie Menschen dazu auf, sich einen Schnurrbart – oder „Mo“ – wachsen zu lassen, und damit Gespräche anzuregen. So wollen sie unter dem Motto „GROW A MO, SAVE A BRO“ reale Veränderungen bewirken und die Männergesundheit in die öffentliche Debatte rücken. Darüber hinaus gibt’s auf der Website noch weitere Möglichkeiten, aktiv zu werden und das Projekt zu unterstützen – zum Beispiel, wenn trotz gutem Willen eben einfach kein Schnurrbart wachsen will.

Also packt die Rasierer ein oder schaut mal bei der Movember Foundation vorbei und vor allem – sprecht mit euren Mitmenschen über die psychische Gesundheit von Männern und über toxic masculinity!

Und für alle Interessierten gibt es hier noch einen empfehlenswerten Ted Talk zu dem Thema.