Die Linken-Fraktionsvorsitzende Sarah Wagenknecht zieht sich aus der Spitze der aufstehen-Bewegung zurück. Der Versuch, eine parteiübergreifende linke Sammelbewegung zu implementieren und so Mehrheiten für linke Projekte zu schaffen ist damit vorerst gescheitert. Zuletzt folgten bundesweit rund 2000 Menschen einem Aufruf von Sarah Wagenknecht, mit dem sie an die Erfolge der Gelbwesten im Nachbarland Frankreich anknüpfen wollte.
Auch das Vorbild und die Idee einer linken Sammelbewegung kommt aus Frankreich: Die Initiator:innen von aufstehen eiferten den Erfolgen der 2016 gegründeten Partei „La France insoumise“ unter dem Vorsitz von Jean-Luc Mélenchon und der Kampagne des britischen Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn nach.
Derweil formiert sich in Gießen um den Initiator Ronny Böhm eine selbsternannte Gelbwesten-Bewegung, deren Beteiligte bereits in der Vergangenheit durch rechte Aktivitäten aufgefallen sind. Nach einer Einladung an die „Schutzstreife“ der NPD waren am Samstag mehrere NPD-Kader anwesend.
Dabei kam es dabei zu einer Auseinandersetzung zwischen den Gießener Gelbwesten und linken Gegendemonstrant:innen, die sich ihnen in den Weg stellten. Am Berliner Platz war die Polizei mit einem Großaufgebot vor Ort, die Gießender Allgemeine berichtete.
Auch in Frankreich sind die Gelbwesten keinem eindeutigen Spektrum zuzuordnen. Ausgelöst wurde der Protest durch eine höhere Besteuerung fossiler Kraftstoffe, im Laufe der Zeit wurden unter anderem geringere Steuern, eine Anhebung des Mindestlohns sowie der Renten und basisdemokratische Einflussmöglichkeiten gefordert. In erster Linie richtet sich der Protest gegen Frankreichs Präsident Macron.
In Deutschland versuchen neben Wagenknecht auch Rechtsradikale wie Pegida, die neonazistische Kleinpartei Der III. Weg oder wie zuletzt in Gießen die NPD, den Protest aus dem Nachbarland für sich zu vereinnahmen. Bisher sind aber alle Bemühungen, an den Protest in Frankreich anzuknüpfen, mehr oder weniger kläglich gescheitert. Dort ebbt der Protest derweil ab und muss sich gegen antisemitische Ausfälle verteidigen. Zuletzt waren laut französischem Innenministerium nur noch knapp 29.000 Menschen auf der Straße.
Die Sammlungsbewegung á la Wagenknecht fußt auf einer massiven Fehleinschätzung, der Misserfolg war vorprogrammiert. Wagenknecht ist keine gesellschaftliche Brückenbauerin. Wagenknecht polarisiert mit ihren Forderungen nach einem nationalen Sozialismus und spaltet so das linke Lager. Zu keinem Zeitpunkt hat aufstehen es geschafft, die Menschen zu mobilisieren. Und die Protestbewegung war längst da: Unter dem Motto #wirsindmehr! sind im Sommer 2018 in Gießen und ganz Deutschland tausende und hunderttausende gegen Fremdenfeindlichkeit auf die Straße gegangen. Zu der „unteilbar“-Demo sind im Herbst über 240.000 Menschen aus dem linken Spektrum für ein solidarisches und weltoffenes Deutschland auf die Straße gegangen. Die Seebrücke schart Tausende im Kampf für die zivile Seenotrettung hinter sich. Das sind echte Graswurzelbewegungen, die von der Zivilgesellschaft iniitiiert Menschen auf die Straße bringen und so langfristig linke Mehrheiten ermöglichen.
Basisbewegungen kann man nicht von oben herab anleiten oder anstoßen. Auch der SPD-Europakandidat aus Brandenburg, Simon Vaut, meint deshalb, Rot-Rot-Grün sei nun „wieder ein bisschen wahrscheinlicher geworden”.