Kleine Riesen für Europa

Am Sonntag, den 26. Mai 2019, findet in Deutschland die Wahl des Europäischen Parlamentes statt. Unabhängig davon, ob der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union stattfindet, werden 96 deutsche Abgeordnete bestimmt. Der Wahl-O-Mat wird am 3. Mai mittags veröffentlicht. Im Folgenden soll jetzt schon über das Programm einiger Kleinparteien informiert werden.

Bei den letzten Wahlen des Europäischen Parlamentes vor fünf Jahren bestand in Deutschland erstmals keine Sperrklausel, was dafür sorgte, dass sieben Kleinparteien jeweils einen Sitz im Europäischen Parlament gewannen. Die wenigsten Stimmen hatte Die PARTEI mit 0,6% erlangt, doch das genügte ihrem Bundesvorsitzenden Martin Sonneborn, um ein Mandat zu erlangen.

Die Bundesregierung hat sich vergeblich für eine Sperrklausel bei der diesjährigen Wahl eingesetzt. Ihr Argument, somit einer Zersplitterung des Europäischen Parlaments entgegenzuwirken, lässt sich aber auf Deutschland nicht anwenden. Denn fünf der sieben Abgeordneten haben sich einer bestehenden europäischen Fraktion angeschlossen – etwa die Piratin Julia Reder den Grünen/EFA oder Ulrike Müller von den FREIEN WÄHLERN der liberalen ALDE.

Doch nun zu den Profilen von drei Kleinparteien, die dieses Jahr zur Wahl stehen:

Die Ökologisch-Demokratische Partei (2014: 0,6%)

Für die ÖDP tritt erneut der Münchner Physiker Prof. Dr. Klaus Buchner an. Als Mitglied der Grünen/EFA hat er sich in den letzten fünf Jahren im Europäischen Parlament für ein Atomabkommen mit dem Iran und eine Kampagne gegen die unnötige Verwendung von Reserveantibiotika in der industriellen Massentierhaltung eingesetzt.

SOZIALES Mehr soziale Gerechtigkeit soll durch die Senkung der Lohnnebenkosten erreicht werden. Diese soll durch den schrittweisen Übergang zu einer Besteuerung des Rohstoffverbrauchs gegenfinanziert werden.

UMWELT Die ÖDP fordert ein Verbot des Einsatzes genmanipulierter Pflanzen und Tiere auch für Forschungszwecke, eine sofortige Abkehr von der Kernkraft sowie umfassende Maßnahmen für Tier-, Umwelt- und Klimaschutz. Zentral ist für die ÖDP das Konzept des Lebensschutzes, nach der Tiere als “Mitgeschöpfe” anerkannt werden. Daraus leitet sich eine teils äußerst restriktive Haltung gegenüber der Möglichkeit des straffreien Schwangerschaftsabbruchs, der aktiven Sterbehilfe sowie medizinischer Maßnahmen zur Verlängerung des Lebens ab.

BILDUNG Bildungsgerechtigkeit soll durch ein System der ausschließlich öffentlich finanzierten Bildungs- und Erziehungseinrichtungen gewährleistet werden. Zudem wird gefordert, die familiäre Erziehungsarbeit durch ein steuer- und sozialversicherungspflichtiges “Erziehungsgehalt” aufzuwerten und die einseitige finanzielle Förderung von Kindertagesstätten als “staatliche Bevormundung und Diskriminierung von Eltern” zu beseitigen.

MIGRATION Die ÖDP fordert eine humane Asyl- und Fluchtpolitik, was für sie eine „faire Verteilung der Aufnahmequoten unter den Mitgliedsstaaten und faire Aufteilung der finanziellen Belastungen“ sowie die Bekämpfung von Fluchtursachen bedeutet.

 

Die FREIEN WÄHLER (2014: 1,5%)

Die Partei „Freie Wähler“ wurde 2009 in Würzburg gegründet und erlangte 2018 mit der Regierungsbeteiligung in Bayern deutschlandweite Aufmerksamkeit. Die Partei entstand aus kommunalen Wählergemeinschaften, Bündnissen und Initiativen.

SOZIALES Die Freien Wähler betrachten Familien als „das Fundament unserer Gesellschaft“. Diese sollen durch kostenlose Kinderbetreuung und Erhöhung des Kindergeldes gestärkt werden.

UMWELT Die Partei will den Klimawandel durch einen schnellstmöglichen Austritt aus fossilen Energieträgern bekämpfen und den „Klimaschutz in die Verfassung aufnehmen“.

BILDUNG Die Freien Wähler lehnen Studiengebühren ab, sprechen sich jedoch für das neunjährige Gymnasium und das dreigliedrige Schulsystem aus. Es wird gefordert, die Rahmenkompetenz für das Bildungssystem auf die Bundesebene zu übertragen.

MIGRATION Die Partei befürwortet eine Zuwanderungspolitik nach kanadischem Vorbild. Der Familiennachzug für Asylbewerber soll begrenzt werden. Die Partei fordert mehr Sach- statt Geldleistungen und spricht sich für Kürzungen von Leistungen für Flüchtlinge, die sich nicht integrieren, aus.

Die Partei der Humanisten (2014: keine Teilnahme)

Die sozialliberale Partei der Humanisten (Die Humanisten) wurde 2014 gegründet. Sie steht für “Individualismus, Innovation und Fairness” und will ein selbstbestimmtes Leben in individueller Freiheit ermöglichen, wozu sie eine aufgeklärte Drogenpolitik und die Legalisierung psychoaktiver Substanzen zählt. Technologie, Wissenschaft und Forschung sollen als Garant für den zukünftigen Wohlstand intensiv gefördert werden.

SOZIALES Die Humanisten fordern in ihrem Grundsatzprogramm eine “flächendeckende Grundversorgung mit religiös-weltanschaulich neutralen Einrichtungen” in Kinderbetreuung, Gesundheitswesen, Schul- und Universitätsausbildung.

UMWELT Prävention und Regeneration werden als zentrale Konzepte für den Umweltschutz betrachtet. Für eine erfolgreiche Energiewende fordern Die Humanisten dezentrale, bedarfsorientierte Lösungen bei gleichzeitiger Abschaffung der EEG-Umlage und anderer Subventionen.

BILDUNG Ihren Fokus auf Säkularisierung betonen sie in der Bildung etwa durch die Forderung, den Religionsunterricht durch eine gemeinsame ethisch-philosophische Bildung zu ersetzen. Weiterhin soll die frühe Einteilung in unterschiedliche Schulformen abgeschafft werden. Kostenlose Bildung, Aus- und Weiterbildung – auch für Migranten und anerkannte Flüchtlinge – soll lebenslanges Lernen ermöglichen.

MIRGRATION Die Humanisten sehen Deutschland als Einwanderungsland. Deshalb setzten sie sich für ein Einwanderungssystem der Chancengleichheit ein.

XR – Gewaltfreier Widerstand zur Rettung des Planeten

Der Aufschrei ist groß! Weltweit sind Menschen in den letzten Wochen auf die Straße gegangen, um auf die katastrophalen Folgen des Klimawandels aufmerksam zu machen. Die schwedische Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg ist dabei längst zu einer Symbolfigur der „Fridays For Future“ Proteste geworden. Auch die Schülerin ist auf dem Weg nach London, um sich der „Extinction Rebellion“ Bewegung anzuschließen, die in den letzten Tagen wichtige Verkehrsknotenpunkte im Londoner Zentrum lahmlegte. Das King’s College in London bestätigte eine unmittelbare Auswirkung der Straßenblockaden auf die Luftqualität in der Metropole.

„Extinction Rebellion“ steht für eine Protestbewegung, die sich ganz im Sinne des zivilen Ungehorsams, friedlich für die Rettung des Planeten und die nachfolgenden Generationen einsetzt. Klick hier für mehr Infos zu XR in London.

Auch in Deutschland findet die Bewegung Anhänger:innen. In Hamburg wurde eine Fahrraddemo veranstaltet, bei der die Teilnhemenden zum Abschluss auf dem Rathausplatz das Massensterben symblosierten, als sie sich von ihren Fahrrädern fallen ließen und leblos auf dem Boden liegen blieben. Ähnliche Szenarien ereigneten sich auch in Köln und Berlin. Twitter bietet eine hervorragende Plattform, um mehr über die “Extinction Rebellion” Bewegung zu erfahren.

#Extinction Rebellion

 

 

Gentest für Down-Syndrom Erkrankung soll in Zukunft eine Kassenleistung werden

In Deutschland leben heute ca. 30. bis 50.000 Menschen mit Down-Syndrom („Trisomie 21“). Auf vielen Plakaten zum Thema Inklusion finden wir Menschen mit diesem ‚Gendeffekt‘. Doch etwa 90 % der Eltern mit der Diagnose auf ein Down-Syndrom entscheiden sich heute für eine Abtreibung. Die Zahl der in Deutschland lebenden Menschen mit ‘Trisomie 21’ hat erheblich abgenommen. Der Gentest hat bereits vor Jahren eine ethisch und moralische Debatte ausgelöst.

Seit 2012 gibt es auf dem deutschen Markt einen Gentest auf Trisomien, der schon ab der zehnten Schwangerschaftswoche möglich ist. In Zukunft soll dieser Gentest von den Krankenkassen bezahlt werden. Kritiker sind besorgt und gehen davon aus, dass die Zahl der Abtreibungen deutlich steigen wird.

Der Bundestag hat in diesem Zusammenhang am 11. April 2019 in einer Orientierungsdebatte über Bluttests vor der Geburt etwa auf das Down-Syndrom des Kindes diskutiert. Hierbei ging es um eine offene Debatte, die keine Vorgaben von den Fraktionen hatte. Die zentrale Frage in diesem Zusammenhang lautete, soll der Bluttest auf Down-Syndrom für Schwangere eine Kassenleistung werden, ja oder nein? Für beide Positionen gibt es starke Argumente. Sollte das Recht auf Leben geschützt werden? Senden wir damit das Signal, behinderte Menschen sind unerwünscht?

Weitere Informationen zu der kontroversen Debatte findet ihr unter:

https://www.tagesspiegel.de/politik/gentest-debatte-im-bundestag-wie-koennen-wir-die-automatik-zur-abtreibung-durchbrechen/24207394.html

https://www.spiegel.de/gesundheit/schwangerschaft/bluttest-auf-down-syndrom-soll-kassenleistung-werden-a-1258066.html

https://www.die-tagespost.de/politik/Diese-Debatte-haette-es-gar-nicht-geben-duerfen;art4685,197358

https://www.welt.de/politik/deutschland/article179912242/Down-Syndrom-Test-Sendet-vor-allem-eine-Botschaft-Behinderte-Kinder-sind-unerwuenscht.html

Urheberrecht oder Zensurheberrecht?

Die gemeinnützige Plattform „FragDenStaat“ unterstützt Personen dabei, ihr Recht auf Information wahrzunehmen. In diesem Zusammenhang wurde auf der Internetseite im Februar ein Gutachten zu den Krebsrisiken von Glyphosat veröffentlicht. Jetzt musste das Dokument jedoch gelöscht werden – der Plattform wird Urheberrechtsverletzung vorgeworfen.

Aber fangen wir vorne an: Glyphosat ist ein sogenanntes „Totalherbizid“, also ein Unkrautvernichtungsmittel, das jede Pflanze tötet, die nicht speziell gentechnisch verändert wurde, um das Mittel zu überleben. Es ist in Deutschland und weltweit das meistverkaufte Pflanzengift. Durch seine aggressive Wirkung zerstört es die biologische Vielfalt auf und um Ackerflächen und gelangt auch in den menschlichen Körper. Bei 70% der deutschen Großstädter_innen lässt sich Glyphosat im Urin nachweisen. Die Aufnahme kann auf unterschiedliche Weise passieren. Besonders gefährdet sind natürlich diejenigen, die beruflich, zum Beispiel beim Einsatz des Spritzmittels auf dem Feld, hohen Dosen von Glyphosat ausgesetzt sind,  aber auch Lebensmittel wie Mehl, Brötchen und Haferflocken sind mit dem Herbizid belastet. Über den Magen-Darm-Trakt können dann Rückstände des Glyphosats oder auch anderer Pestizide in den Blutkreislauf gelangen. Welche gesundheitlichen Folgen es hat, wenn wir über lange Zeit kleine Mengen Glyphosat aufnehmen,  weiß bisher niemand so genau.

Hier in Deutschland wird Glyphosat übrigens nicht nur in der Landwirtschaft eingesetzt, sondern zum Beispiel auch im Weihnachtsbaumanbau und in privaten Gärten. Unter Handelsnamen wie „Roundup“, „Touchdown“ und „Durango“ kann man das Pflanzengift zum Beispiel in verschiedenen Gartencentern oder ganz einfach online kaufen. Insgesamt werden jährlich fast eine Million Tonnen Glyphosat versprüht. Es ist so allgegenwärtig, dass Testbiotech von einer „globalen Giftdusche“ spricht – und tatsächlich landet das Spritzmittel nicht nur auf den Äckern und Feldern, für die es gedacht ist. Amerikanische Wissenschaftler_innen fanden das Pflanzengift beispielsweise in 70% des Regenwassers und in 93% aller Bodenproben.

Leider wird herzlich wenig unternommen, um Menschen, Tiere und Natur vor Glyphosat zu schützen. Inzwischen ist es vier Jahre her, dass die WHO das Herbizid als „wahrscheinlich Krebserregend“ eingestuft hat. Viele Untersuchungen, die nötig wären, um die Belastung der Bevölkerung näher zu untersuchen, finden nicht statt, da die Verfahren dem zuständigen Ministerium „zu aufwändig“ seien.  Diese Testverfahren sind nicht nur aufwändig, sondern auch teuer. Da kann man schon mal Prioritäten setzen. Obwohl es am Geld nicht zu mangeln scheint – für die Förderung von Glyphosat investieren die Agrar-Umwelt-Programme der Bundesländer jedes Jahr mehrere Millionen.

Das Gutachten von 2015, das FragDenStaat nun löschen musste, wurde vom Bundesinstitut für Risikobewertung angefertigt. Dieses Institut untersteht dem Landwirtschaftsministerium von Julia Klöckner (CDU). Anders als die Internationale Agentur für Krebsforschung und die WHO kommt die Bundesbehörde zu dem Ergebnis, dass das Herbizid nicht krebserregend ist. Kritiker_innen werfen der Behörde vor, nicht unabhängig geforscht zu haben, sondern große Teile ihrer Risikobewertung direkt aus dem Zulassungsantrag der Hersteller übernommen zu haben. Das Bundesinstitut für Risikobewertung weist diese Vorwürfe zurück. Trotz allem wehrt sich das Institut gegen die Veröffentlichung des Gutachtens – mit einer einstweiligen Verfügung des Kölner Landgerichts konnten sie erreichen, dass FragDenStaat das Dokument löschen musste. Urteil: Urheberrechtsverletzung. Das Verfahren ist jedoch noch nicht vorbei, es wird Widerspruch gegen das Urteil in Köln eingelegt und gleichzeitig eine negative Feststellungsklage beim Landgericht in Berlin eingereicht, das ebenfalls über den Fall entscheiden soll. Bis dahin gibt es aber eine weitere Möglichkeit, das Gutachten zu lesen – im Rahmen des Informationsrechts kann jede_r das Dokument anfordern und es sich zuschicken lassen. Dafür bietet FragDenStaat eine vorgefertigte Anfrage, in die nur noch die eigenen Daten eingefügt werden müssen. Veröffentlicht werden darf das Dokument dann zwar immer noch nicht, aber es ermöglicht immerhin die Einsicht in ein steuerfinanziertes Dokument, das nicht aus Urheberrechtsgründen geheim gehalten werden sollte. Mit dem Verfahren will die Plattform dafür kämpfen, „dass das Urheberrecht nicht zum Zensurheberrecht“ wird.

 

10 Jahre “Transgender Day of Visibility”

Gestern feierte der „Transgender Day of Visibility“ sein 10-jähriges Bestehen. Um ein Zeichen gegen die Marginalisierung von Trans*-Identitäten zu setzen, erklärte Rachel Crandall-Crocker aus Michigan am 31. März 2009 den Tag zum „International Transgender Day of Visibility“ (TDOV). Zu diesem Anlass möchten wir euch gar nicht selbst etwas erzählen, sondern jemanden zu Wort kommen lassen, der uns einen viel besseren Einblick geben kann.

Den Artikel findet ihr hier.