Urheberrecht oder Zensurheberrecht?

Die gemeinnützige Plattform „FragDenStaat“ unterstützt Personen dabei, ihr Recht auf Information wahrzunehmen. In diesem Zusammenhang wurde auf der Internetseite im Februar ein Gutachten zu den Krebsrisiken von Glyphosat veröffentlicht. Jetzt musste das Dokument jedoch gelöscht werden – der Plattform wird Urheberrechtsverletzung vorgeworfen.

Aber fangen wir vorne an: Glyphosat ist ein sogenanntes „Totalherbizid“, also ein Unkrautvernichtungsmittel, das jede Pflanze tötet, die nicht speziell gentechnisch verändert wurde, um das Mittel zu überleben. Es ist in Deutschland und weltweit das meistverkaufte Pflanzengift. Durch seine aggressive Wirkung zerstört es die biologische Vielfalt auf und um Ackerflächen und gelangt auch in den menschlichen Körper. Bei 70% der deutschen Großstädter_innen lässt sich Glyphosat im Urin nachweisen. Die Aufnahme kann auf unterschiedliche Weise passieren. Besonders gefährdet sind natürlich diejenigen, die beruflich, zum Beispiel beim Einsatz des Spritzmittels auf dem Feld, hohen Dosen von Glyphosat ausgesetzt sind,  aber auch Lebensmittel wie Mehl, Brötchen und Haferflocken sind mit dem Herbizid belastet. Über den Magen-Darm-Trakt können dann Rückstände des Glyphosats oder auch anderer Pestizide in den Blutkreislauf gelangen. Welche gesundheitlichen Folgen es hat, wenn wir über lange Zeit kleine Mengen Glyphosat aufnehmen,  weiß bisher niemand so genau.

Hier in Deutschland wird Glyphosat übrigens nicht nur in der Landwirtschaft eingesetzt, sondern zum Beispiel auch im Weihnachtsbaumanbau und in privaten Gärten. Unter Handelsnamen wie „Roundup“, „Touchdown“ und „Durango“ kann man das Pflanzengift zum Beispiel in verschiedenen Gartencentern oder ganz einfach online kaufen. Insgesamt werden jährlich fast eine Million Tonnen Glyphosat versprüht. Es ist so allgegenwärtig, dass Testbiotech von einer „globalen Giftdusche“ spricht – und tatsächlich landet das Spritzmittel nicht nur auf den Äckern und Feldern, für die es gedacht ist. Amerikanische Wissenschaftler_innen fanden das Pflanzengift beispielsweise in 70% des Regenwassers und in 93% aller Bodenproben.

Leider wird herzlich wenig unternommen, um Menschen, Tiere und Natur vor Glyphosat zu schützen. Inzwischen ist es vier Jahre her, dass die WHO das Herbizid als „wahrscheinlich Krebserregend“ eingestuft hat. Viele Untersuchungen, die nötig wären, um die Belastung der Bevölkerung näher zu untersuchen, finden nicht statt, da die Verfahren dem zuständigen Ministerium „zu aufwändig“ seien.  Diese Testverfahren sind nicht nur aufwändig, sondern auch teuer. Da kann man schon mal Prioritäten setzen. Obwohl es am Geld nicht zu mangeln scheint – für die Förderung von Glyphosat investieren die Agrar-Umwelt-Programme der Bundesländer jedes Jahr mehrere Millionen.

Das Gutachten von 2015, das FragDenStaat nun löschen musste, wurde vom Bundesinstitut für Risikobewertung angefertigt. Dieses Institut untersteht dem Landwirtschaftsministerium von Julia Klöckner (CDU). Anders als die Internationale Agentur für Krebsforschung und die WHO kommt die Bundesbehörde zu dem Ergebnis, dass das Herbizid nicht krebserregend ist. Kritiker_innen werfen der Behörde vor, nicht unabhängig geforscht zu haben, sondern große Teile ihrer Risikobewertung direkt aus dem Zulassungsantrag der Hersteller übernommen zu haben. Das Bundesinstitut für Risikobewertung weist diese Vorwürfe zurück. Trotz allem wehrt sich das Institut gegen die Veröffentlichung des Gutachtens – mit einer einstweiligen Verfügung des Kölner Landgerichts konnten sie erreichen, dass FragDenStaat das Dokument löschen musste. Urteil: Urheberrechtsverletzung. Das Verfahren ist jedoch noch nicht vorbei, es wird Widerspruch gegen das Urteil in Köln eingelegt und gleichzeitig eine negative Feststellungsklage beim Landgericht in Berlin eingereicht, das ebenfalls über den Fall entscheiden soll. Bis dahin gibt es aber eine weitere Möglichkeit, das Gutachten zu lesen – im Rahmen des Informationsrechts kann jede_r das Dokument anfordern und es sich zuschicken lassen. Dafür bietet FragDenStaat eine vorgefertigte Anfrage, in die nur noch die eigenen Daten eingefügt werden müssen. Veröffentlicht werden darf das Dokument dann zwar immer noch nicht, aber es ermöglicht immerhin die Einsicht in ein steuerfinanziertes Dokument, das nicht aus Urheberrechtsgründen geheim gehalten werden sollte. Mit dem Verfahren will die Plattform dafür kämpfen, „dass das Urheberrecht nicht zum Zensurheberrecht“ wird.

 

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