Mit Andi (1) beim Mensen fällt das Gespräch auf das Lieblingsthema aller Männer: Schuhe. Seit er letztes Jahr bei unserer Mitmission-Movie-Night “The True Cost” gesehen hat, fällt ihm der Schuhkauf leider ziemlich schwer. Er legt jetzt nämlich größeren Wert darauf, dass seine Sneakers fair gefertigt, also ‚gefairtigt‘ (kleine Wortspielerei am Rande), werden und idealerweise noch nachhaltig sind. Schön, dass der Film so einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat, doof nur, dass Andis neue Kaufkriterien schon eine Einschränkung sind. Und dann hat der Gute auch noch Schuhgröße 46. Besonders dann wird dies zur Herausforderung, wenn man außerdem noch auf Kriegsfuß mit namhaften Online-Versandriesen steht. Am Ende hat es auch nicht so ganz geklappt und Andi wollte eher nicht zu den Barfüßlern überlaufen, aber als Konsument hat er auf jeden Fall sehr bewusst gehandelt.
Im WhatsApp-Chat erfahre ich von Daniela, dass sie hinsichtlich ihres USA-Urlaubs mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern sehr gemischte Gefühle hat. Sie freut sich darauf, ihren Kindern so viel zeigen zu können und natürlich auch selbst neue Eindrücke zu sammeln und eine uns vermeintlich so vertraute Kultur zu erleben. Gleichzeitig bereitet ihr der mächtige CO2-Fußabdruck dieses Urlaubs etwas Bauchschmerzen. Sie unternimmt diese Reise einerseits für ihre Kinder, um ihnen etwas bieten zu können, andererseits ist es ihr in Zeiten von Fridays for Future gegenwärtiger denn je, dass wir etwas ändern müssen, dass wir entschlossenen Klimaschutz brauchen, um der heranwachsenden Generation eine Zukunft mit noch lösbaren Problemen bieten zu können. Sich während des Urlaubs den Kopf zu zerbrechen, wäre unsinnig, weil man sich die Reise dann hätte sparen können, das ist ihr klar. Im Bewusstsein ihrer Verantwortung macht sie sich aber schon Gedanken, wie sie CO2 einsparen kann. Das ist ihr vielleicht nicht bewusst, aber mit der Erziehung ihrer Kinder zu umweltbewussten Menschen leistet sie einen wichtigen Beitrag. Das muss ich ihr mal sagen.
Beim ESC-Schauen (Eurovision Song Contest) bei Christoph – auch schon wieder eine Weile her – unterhalten wir uns in kleiner Runde, also Christoph und ich, über den Unverpackt-Laden in Gießen, der mittlerweile etwas expandiert hat. Beim ESC hatte der Laden aber noch seine alte Größe und da Christoph mit seiner Frau und der einjährigen Tochter nun nach Bremen gezogen ist – DAS war vielleicht ein Umzug – wird er im vergrößerten Unverpackt-Laden wohl seltener anzutreffen sein. Wir unterhalten uns also über den Laden, weil von Mal zu Mal, wenn ich zu Besuch bin, mehr Schraubgläser im Küchenregal stehen. Reis, Rosinen, Nüsse und einiges mehr findet sich dort nun in ansprechenden Gläsern und zeigt allen Besucher_innen, dass diese Lebensmittel auch wunderbar ohne Plastik aufbewahrt werden können. Dass wir heute Antipasti aus Plastikverpackungen essen, sei eine Ausnahme, entschuldigt er sich schon fast. Da ich noch über die vielen Gläser staune, nehme ich das nur so halb wahr, aber es scheint ihm wirklich ein schlechtes Gewissen zu machen, dass bei unserem ESC-Abend Plastikmüll anfällt. Vorbildlich habe ich selbstgemachte Pizzateigschnecken dabei; die Plastikverpackungen der Zutaten sind bei mir in der WG im Müll (vielleicht doch nicht so vorbildlich). Trotzdem haben wir einen super Abend, der auch durch das schon fast traditionell schlechte Abschneiden des deutschen Beitrags nicht weniger schön wird. Der Griff zu den Snacks ist diesmal aber deutlich bewusster. Den nächsten ESC sollten wir plastikfrei hinbekommen.
Drei kleine Anekdoten, die mittlerweile hoffentlich einen roten Faden erkennen lassen: Sie zeigen in kurzen Ausschnitten, dass gerade einiges beim Klima- und Umweltschutz in Bewegung ist, was mich hoffen lässt. Es wird nicht reichen, auf die Unterstützung der eher schwerfälligen Politik zu warten, die sich dieser Tage mehr mit sich selbst, ihrer Wirkung auf potentielle Wähler_innen und diesem noch immer mysteriös anmutenden Internet beschäftigt. Daniela, die gerade in den USA ist, verriet mir, dass ihr der Umweltschutz mit etwas Unterstützung durch gesetzliche Verbindlichkeit deutlich leichter fiele. Im Warten auf diese Hilfe, können wir uns aber alle Schritt für Schritt bemühen, unseren eigenen Beitrag zu leisten. Es wäre gut, wenn wir all unsere klimaschädlichen Gewohnheiten sofort hinter uns lassen könnten, aber das gelingt nur den Wenigsten. Und wie bei einer schlechten Diät hält man es einfach nicht durch und wird rückfällig. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und deshalb plädiere ich dafür, nicht aus Überforderung zu resignieren, sondern langsam persönliche Fortschritte zu einem nachhaltigeren Leben zu machen. Klingt doch machbar. Mach doch mit!
(1) Alle Namen wurden geändert, die Ereignisse und Personen sind aber real.
Ein paar Links zur Anregung:
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/aldi-plastiktueten-kosten-beutel-gemuese-obst-1.4480982
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/gruene-amazon-101.html
https://utopia.de/eu-verbietet-einwegplastik-109824/
Dennis Koch