Nicht nur auf dem Platz liegt Freud‘ und Leid nah beieinander, sondern auch beim Bau der Stadien in Katar. Fußball regiert die Welt und begeistert Menschen rund um den Globus. Die dunkle Seite dieses Spektakels wird allerdings, wie so oft, unter den Teppich gekehrt: Menschenunwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen, Zwangsarbeit und Tod.
Seit Katar im Dezember 2010 zum Gastgeber der Fußball Weltmeisterschaft 2022 auserkoren wurde, sind bei den Bauarbeiten der hoch modernen Stadien und der Infrastruktur schon mehrere Tausend Arbeiter zu Tode gekommen. In einem Bericht der internationalen Gewerkschaftsunion (ITUC) lautet die erste Prognose, VOR dem Beginn der Bauarbeiten über die Zahl der zu erwartenden Opfer: 4000 Menschen. Im Jahr 2015 wird diese Prognose in einem Bericht der ZEIT von der ITUC dann auf 7000 korrigiert. Was sagt das über die Arbeitsbedingungen eines der reichsten Länder der Welt aus? Wie kann es sein, dass schon im Voraus klar ist, dass so viele Menschen während der Bauarbeiten sterben werden und die Welt das einfach so passieren lässt? Ein bisschen, wie wissentlich Menschen im Mittelmeer ertrinken lassen, oder?
Die Bevölkerung des öl- und gasreichen Landes Katar ist in den letzten zwanzig Jahren stark gewachsen und zwar von ca. 700.000 Menschen (2004) auf 2.600.000 im Jahr 2016. Dieses enorme Wachstum ist vor allem durch Arbeitsmigration zu erklären, denn rund 90% der Bevölkerung wird durch Gastarbeiter aus Ländern wie Bangladesch, Nepal und Indien gestellt. Viele dieser Männer werden mit falschen Versprechungen nach Katar gelockt. Ihnen werden das große Geld und eine bessere Zukunft für ihre Familien in Aussicht gestellt. Obwohl viele skeptisch sind, willigen sie ein, die Chancen auf ein besseres Leben sind einfach zu verlockend. Hinzu kommt, dass die Arbeitsvermittlungsagenturen den Männern Mut machen. Es wird sich um alles gekümmert; Visum, Flugticket, die Unterbringung vor Ort. Alles scheint für sie organisiert zu sein und vor allem die Bezahlung ist unglaublich. Den Männern werden im Schnitt $400 pro Monat versprochen, mehr Geld als die meisten von ihnen jemals besessen haben, denn das jährliche Durchschnittseinkommen zum Beispiel in Nepal liegt bei $730. Zum Vergleich, in Katar, dem Land für das diese Männer arbeiten sollen, verdienen die Menschen (10% der Bevölkerung!!) rund $90.420 pro Jahr.
Mit der grausamen Realität werden die Arbeiter kurz nach ihrer Ankunft in Katar konfrontiert. Dazu möchte ich einen Paragraph aus der britischen Zeitung „The Independent“ vom 03.10.2017 zitieren:
“Alas, when you land in Doha, the goalposts have shifted slightly. This much becomes apparent when you’re handed a helmet and a high-viz jacket and told to present yourself at a building site at 6am the following morning. You’re not working as a clerk in an office, you’re building a football stadium. They’re not quite sure who told you the $400 a month figure, but it’s actually going to be $200, less miscellaneous costs. The recruitment fee isn’t $200 as you’d agreed, but $2000, plus the cost of your flight to Qatar. Your crisp new passport is confiscated. You cannot quit your job. You cannot leave the country. And before you have even clocked in for your first shift, you owe your employer the equivalent of two years’ wages.”
Die deutsche Zusammenfassung hört sich ungefähr so an: Anders als vermutet wirst du keinen Bürojob machen, sondern ein Fußballstadion bauen. Die Gehaltserwartung von $400 kann nicht bestätigt werden, du wirst wohl eher $200 verdienen. Die Rekrutierungssumme ist viel höher als die, die dir im Voraus mitgeteilt wurde und der du zugestimmt hast. Du wirst aufgefordert $2000 statt $200 zu zahlen und die Flugkosten musst du auch selbst übernehmen. Dein Pass wird eingezogen, du kannst somit deinen Job nicht kündigen und das Land nicht verlassen. Bevor du also deine erste Arbeitsschicht begonnen hast, schuldest du deinem neuen Arbeitgeber etwa zwei Jahresgehälter.
Ich würde es als psychische Folter bezeichnen, was dort mit den Männern gemacht wird, aber das soll noch nicht alles gewesen sein. Die meisten finden sich mit ihrem Schicksal ab. Was bleibt ihnen auch anderes übrig? Gemeinsam werden sie diese Zeit schon überleben. $200 pro Monat klingt immer noch besser als in der Heimat in Armut zu leben. Dann arbeiten sie eben etwas länger in Katar und kehren dann zu ihren Familien zurück. Und genau da liegt der Trugschluss! Denn viele dieser Männer kehren nicht zu ihren Familien zurück. Sie sterben in Katar. Entweder beim Bau der Stadien, denn sie sind ohne die benötige Ausrüstung auf den Baustellen lebensgefährlichen Arbeiten ausgesetzt, oder in ihren menschenunwürdigen Unterbringungen an Erschöpfung, oder auf Grund von nicht behandelten Krankheiten.
Mal wieder schaut die breite Öffentlichkeit weg und lässt das Sterben von Arbeitsmigranten in Katar passieren. An der Spitze steht dabei die FIFA und ihre Verantwortlichen. Dass es sich bei Katar nicht um eine Ausnahme handelt, sollte klar sein. Weltweit werden Menschen ausgebeutet und zur Zwangsarbeit unter grausamen Arbeitsbedingungen verpflichtet. In diesem knapp dargestellten Fall geschieht dies, damit die Welt in rund vier Jahren vor dem Fernseher, aus der Ferne, eine furiose Fußball Weltmeisterschaft verfolgen kann. Wie passend, dass das Endspiel am vierten Adventssonntag, dem 18. Dezember stattfinden wird, also kurz vor Weihnachten. Das also zum Thema Christliche Nächstenliebe und so…
Weitere Infos findest du hier:
Zeitungsartikel „The Independent:
Video über die Bedingungen der Arbeiter in Katar
Amnesty International:
https://www.youtube.com/watch?v=BCzEJvH0p5I
The Guardian:
https://www.youtube.com/watch?v=I0EsOFDA6uM