NYT: ‘It’s an Act of Murder’ – How Europe Outsources Suffering as Migrants Drown

Diese Woche gibt es eine Leseempfehlung: Ein Artikel aus der NYT zu den tödlichen Folgen der intensiven Zusammenarbeit europäischer Staaten mit der libyschen Küstenwache. Die europäischen Staaten dürfen ihre rechtlichen und humanitären Verpflichtungen nicht weiter über fragwürdige Partner outsourcen und sich so ihrer Verantwortung entziehen.

In der dazugehörigen Videodokumentation wird deutlich, wie mörderisch die rechtspopulistische Politik in Europa ist.


This weeks post is a reading recommondation of an article on the deadly policy of European governments concerning it’s business with the Libyan Coast Guard:

“While funding, equipping and directing the Libyan Coast Guard, European governments have stymied the activities of nongovernmental organizations like Sea-Watch, criminalizing them or impounding their ships, or turning away from ports ships carrying survivors.”

Hier geht es zum Beitrag in der New York Times

Verspätung vs. Ertrinken

Die Nachricht darüber, dass Kanzlerin Merkel auf Grund eines technischen Defekts an ihrem Flugzeug mit Verspätung beim G20 Gipfel eingetroffen, ist hat vermutlich sogar Personen erreicht, die keine Nachrichten schauen oder Tageszeitungen lesen.  In der vergangenene Woche tagten die Mitglieder der “Group of Twenty” im argentinischen Buenos Aires und die Medien berichteten fleißig darüber. So erfuhren wir etwa, dass der indische Premierminster Narendra Modi ein “Yoga for Peace” Event besuchte, oder dass der russische Präsident Putin den saudischen Kronprinzen  Mohammed bin Salman, welcher unter Tatverdacht steht, den Mord an dem saudischen Journalisten in Auftrag gegeben zu haben, mit einem High-Five Handschlag begrüßte.  Was sich fast zeitgleich auf dem Mittelmeer ereignete, erlangte weniger Aufsehen durch die Presse: Ein spanisches Fischerboot rettet 12 Menschen vor dem Ertrinken und kein europäischer Hafen erlaubt dem Boot und der Besatzung das Anlegen. Fast zwei Wochen wartet die Besatzung auf die Zuweisung eines sicheren Hafens, bis sich Malta schließlich “erbarmt” und der Nuestra Madre Loreto das Anlegen erlaubt.

Die Situation von internationalen NGO’s der Seenotrettung entspannt sich langsam. Nach einer Zwangspause von fast 5 Monaten kehrt die zivile Seenotrettung auf das Mittelmeer zurück. Im folgenden Artikel der ZEIT könnt ihr nachlesen, wie die europäischen Behörden das Helfen auf dem Mittelmeer in den letzten Monaten blockiert haben und welche Strategien sich die NGO’s einfallen lassen mussten, um wieder Menschenleben retten zu dürfen:

https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-11/flucht-mittelmeer-zivile-seenotrettung-private-rettungsaktionen-organisationen-sea-watch

Seenotrettung – Eine Frage der Legalität?

Jan Böhmermann tut es, Klaas Heufer-Umlauf tut es und viele weitere auch: Spenden sammeln und sich stark machen für die Rettung von MENSCHEN im Mittelmeer. Nichtregierungsorganisationen (NGO’s) setzen sich seit Jahren in gefährlichen Rettungsaktionen im Mittelmeer ein, um asylsuchende MENSCHEN vor dem Ertrinken zu retten. Die eingesetzten, maroden Boote, mit denen die MENSCHEN aus purer Verzweiflung versuchen Europa zu erreichen, sind nicht nur in einem desolaten Zustand, sie sind oftmals viel zu klein und mit nicht genügend Sprit ausgestattet, um überhaupt die nächste Küste erreichen zu können. Ganz zu schwiegen von funktionierenden GPS-Geräten, genügend Trinkwasser oder Nahrung.

In den letzten Jahren war der Einsatz solcher NGO’s schon schwierig genug. Immer wieder erlebten die Besatzungen Anfeindungen oder gerieten sogar unter Beschuss der libyschen Küstenwache. Immer wieder folgten heftige Auseinandersetzungen mit Regierungen über das Internationale Seerecht. Organisationen wie beispielsweise SeaWatch und Lifeline machten sich immer wieder stark für notbedürftige MENSCHEN und fuhren weiterhin hinaus aufs Meer, um Männer, Frauen und Kinder vor dem Ertrinken oder Verdursten auf hoher See zu retten.

Leider hat diese Diskussion mit der tragischen Geschichte des Schiffes Lifeline und dessen Kapitän einen neuen traurigen Höhepunkt erreicht. Die vor Gericht endende Kriminalisierung der Seenotretter. Fast eine Woche durfte der Kapitän mit seiner Besatzung und knapp 234 geretteten MENSCHEN an Bord, an keinen europäischen Hafen (Malta oder Italien) anlegen. Diese 234 Schutzsuchenden wurden vor der Küste Libyens von der NGO gerettet, an Bord genommen, teilweise medizinisch, mit Trinkwasser und Nahrung versorgt. Erst nachdem sich die EU-Länder zu einer Aufnahme der geretteten MENSCHEN entschieden hatten, erlaubte schlussendlich Malta das Anlegen der Lifeline.

Höhepunkt dieser Auseinandersetzung: Der Kapitän muss sich vor Gericht behaupten, da ihm vorgeworfen wird, er habe das Schiff ohne ordnungsgemäße Registrierung in maltesische Gewässer gesteuert. Völlig ungeachtet dessen, dass dieser Mann und seine Besatzung dafür 234 MENSCHENLEBEN retteten, musste er sich mit den kriminalisierenden Vorwürfen auseinandersetzen. Claus-Peter Reisch, der besagte Kapitän, durfte jetzt nach Deutschland reisen, um sich um seine pflegebedürftige Mutter zu kümmern. Dank der Spendenaktionen von Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf konnten über 385.000€ gesammelt werden, um die Besatzung und den Kapitän der Lifeline in den Rechtskosten zu unterstützen und sogar weitere Schiffe zu chartern.

Alleine im Juni sind 629 MENSCHEN im Mittelmeer ertrunken – und die EU trägt durch die Kriminalisierung der Seenotrettung daran eine Mitschuld, so die Hilfsorganisationen. Aktuell sind viele Häfen im Mittelmeer für gerettete Flüchtlinge geschlossen. Darüber hinaus führt die Schließung der Häfen ebenfalls dazu, dass kaum noch NGO’s und deren Rettungsschiffe auf dem Mittelmeer nach MENSCHEN in Not suchen (dürfen!!!). Matteo Salvini, Italiens Innenminister der rechtspopulistischen Lega Nord, traf vor wenigen Tagen sogar die Aussage, dass selbst militärische Schiffe mit hilfsbedürftigen MENSCHEN an Bord keine Erlaubnis zum Einlaufen in den maltesischen Hafen erhalten werden.

Da muss man sich doch fragen: WO IST HIER DIE MENSCHLICHKEIT?????

Die Männer, Frauen und Kinder, die gerettet werden, sind MENSCHEN wie wir auch. Sie sind leider nicht mit den Glück ausgestattet, in einem sicheren Land geboren worden zu sein. Aus diesem und vielen weiteren Gründen machen sie sich auf den Weg, verlassen ihre Heimat, lassen Hab und Gut zurück und geben ihr letztes Geld, um in einer lebensgefährlichen Mission nach Europa zu kommen. Die letzte Station vor der Überfahrt heißt dabei meist Libyen. Wer immer noch Zweifel an den unzähligen, grausamen Geschichten voller Folter, Vergewaltigungen und menschenunwürdigen Unterbringungen hat, die die MENSCHEN dort erleben mussten, der darf gerne mal einen Blick auf die Seite des Auswertigen Amtes werfen. „Deutsche Staatsangehörige, die sich gegebenenfalls dort noch aufhalten, werden zur sofortigen Ausreise aufgerufen.“

Was bilden wir uns eigentlich ein, frage ich mich, beim Lesen dieser Zeilen. „Deutsche“ sollen sofort ausreisen – versuchen aber MENSCHEN anderer Nationen einen Weg zur Ausreise zu finden, lassen wir sie im Mittelmeer ertrinken. Es ist die Rede von hoher Gewaltbereitschaft, heftigen Infektionskrankheiten – wer aber kein Deutscher ist, dem muss auch nicht geholfen werden?!

Normalerweise war an dieser Stelle geplant Euch einen Einblick in das Internationale Seerecht zu geben. Ab wann Schiffe und Boote nicht mehr in nationalen Küstengebieten fahren, ab wann welche Institutionen für die Kontrolle, Bewachung oder eben auch die Rettung zuständig sind. Genau das macht aber meiner Meinung nach an dieser Stelle den Appel an unsere MENSCHLICHKEIT kaputt.

Es geht hier nicht um eine umstrittene Rechtslage oder um ein abzuwartendes Urteil. Es geht darum, dass täglich MENSCHEN sterben, weil ihnen momentan nicht geholfen werden darf! Es geht darum, dass Europa zu einer Festung wird, an deren Grenze man sich allem Anschein nach beim Retten zuerst die Frage nach der Legalität von MENSCHEN stellt und bis dahin beim Ertrinken zuschaut.

Fragen zu stellen, wer diese MENSCHEN sind, was sie antreibt in ein kaputtes Bott zu steigen oder wohin sie wollen darf! Nicht an erster Stelle stehen. Es muss sofort gehandelt werden, genau wie es die großartigen Helferinnen und Helfer der NGO’s schon seit langer Zeit tun. Diese Bereitschaft aus MENSCHLICHKEIT zu handeln, wird jedoch momentan leider verboten.

Aus diesem Grund möchte ich die Idee hinter den Petitionen und Spendenaktionen von öffentlichen Personen und auch vielen anderen unterstützen und auch Euch ermutigen, aktiv an Aktionen zur Unterstützung der Seenotrettung teilzunehmen und (falls möglich) den ein oder anderen Euro zu spenden.